Die Geschichte des Karate         

 

Karate hat seinen Ursprung auf der heute zu Japan gehörenden Insel Okinawa. Über viele Jahrhunderte eng mit China in  Kontakt stehend, entwickelte sich hier ab dem 14. Jahrhundert aus der einheimischen Kampfform Te („Technik“) und dem chinesischen Quanfa (jap. Kempo) das okinawanische Tode. To bezeichnete dabei die chinesische Tang-Dynastie. Daher hieß diese Kampfkunst zunächst „Technik Chinas“. Etwas später ging dieser Name in Okinawa-Te über. Ein Waffenverbot, 1429 von den okinawanischen Königen verhängt und 1622 von japanischen Besatzern verschärft, förderte die Entwicklung des Okinawa-Te. Zugleich erzwang die japanische Fremdherrschaft eine strikte Geheimhaltung. Daher ist über die Meister jener Zeit wenig bekannt. Als sicher kann angesehen werden, das ständig Kontakte zwischen Okinawa und China bestanden. Chinesische Meister kamen nach Okinawa und okinawanische Meister lernten in China die Stile des Quanfa. So entwickelte sich Okinawa-Te immer weiter.

Okinawa
Inselgruppe der japanischen Präfektur Okinawa

Bereits zu jener Zeit gab es auch im Okinawa-Te verschiedene Stile. Sie waren nach den Städten benannt, aus denen sie kamen, nämlich Shuri-Te, Tomari-Te  und Naha-Te. In allen drei Stilen bestanden dann wieder verschiedene Schulen. Diese waren aber keine in sich geschlossenen Systeme. Die Grenzen zwischen den Stilen und Schulen waren fließend, allein schon deshalb, weil viele Schüler bei mehreren Meistern verschiedener Schulen lernten. Es war nicht üblich zu sagen, man habe diesen oder jenen Stil erlernt. Statt dessen war der Name des Meisters, bei dem man lernte, entscheidend. So bezeichnen Shuri-, Tomari- und Nahe-Te sowie die verschiedenen Schulen eigentlich die Kampfauffassung der jeweiligen Meister. Im 19.Jahrhunderts bildeten sich dann zwei Hauptstilrichtungen heraus. Shuri- und Tomari-Te prägten den Shorin-Stil, während Naha-Te den Shorei-Stil bestimmte.

Der wohl wichtigste Meister der Shorin-Ryu war Sokon Matsumura. Anfang des 19. Jahrhunderts lernte er bei Sakugawa aus Shuri, bei dem übrigens zum ersten mal der Name Karate auftauchte. Nachdem er ab 1830 seine Kenntnisse im Kempo in China vervollkommnet hatte, gründete er einige Jahre später in Shuri eine Schule „Shorinryu gokokuan karate“. Matsumura bevorzugte ein hartes, kraftvolles Karate, wobei er vor allem auf Schnelligkeit, Plötzlichkeit, Kraft und  die genaue Kenntnis der Basistechniken wert legte.  Dieser Stil wurde durch seinen Schüler Asato Anko weiterentwickelt. Er praktizierte neben Wendungen, Neigungen und Ablenkungsmanövern auch einen raschen Wechsel von Angriff und Zurückweichen. Neben anderen war Itosu Anko ein weiterer wichtiger Schüler Matsumuras. Sowohl bei Itosu als auch bei Asato Anko lernte Gichin Funakochi (Shotokan-Ryu).

Zentraler Meister der Shorei-Ryu war Higashionna Kanryu (1853-1916). Nachdem er bei  okinawanischen Meistern gelernt hatte, ging auch er 1867 nach China. Nach mehreren Jahren kehrte er zurück und unterrichtete ein Karate, welches sich vor allem durch seine mit dem Boden verankerten Stände, den überwiegenden Einsatz der Arme und die Betonung des Nahkampfes auszeichnet. Mit Miyagi Chojun (Goju-Ryu) und Mabuni Kenwa (Shito-Ryu) lernten auch zwei Väter des modernen Karate bei ihm

Gichin Funakoshi
Gichin Funakoshi

Ab etwa 1915 machten okinawanische Meister Karate in Japan bekannt. So reiste 1921 Gichin Funakoshi nach Japan, etwas später Miyagi Chojun, Mabuni Kenwa und andere. Die japanischen Offiziellen waren einerseits sehr am Karate interessiert, andererseits aber auch bestrebt, es an ihr System der bereits integrierten japanischen Budo-Künste anzupassen. Daher wurden in Japan einige dort im Budo üblichen Gepflogenheiten wie farbige Gürtel, Prüfungsordnung, Anzug und Wettkampf übernommen. Diese Änderungen sorgten aber auch für eine weitgehende Ablehnung des japanischen Karate auf Okinawa. Dies wiederum dürfte der Hauptgrund gewesen sein, dass es im Karate nicht zu einer Standardisierung der Techniken kam wie in den meisten anderen Budo-Künsten.

Nach dem 2.Weltkrieg wurde Karate zunächst in Amerika verbreitet, etwa ab 1960 dann auch in Europa. Dabei war der Wettkampf von großer Bedeutung, denn er entsprach der westlichen Mentalität. Wahrscheinlich wäre Karate ohne Wettkampf nicht weltweit verbreitet worden. So wird heute Karate in einer Vielzahl unterschiedlicher Stile auf der ganzen Welt als Kampfsport praktiziert. Zugleich gab es aber auch immer Meister, die am okinawanischen Karate festhielten, und in neuerer Zeit suchen immer mehr Karateka den traditionellen Weg.